Die Stuhl- und Möbelfabrik Frers – Geschichte und Bildergalerie –
Claudia Thoben
Zur Geschichte der Stuhl- und Möbelfabrik „Joh. Frers Söhne, Rastede“
Die Stuhl- und Möbelfabrik Frers, die in ihrer Glanzzeit in den 1960er und 1970er Jahren mit bis zu 130 Angestellten zu den größten Arbeitgebern Rastedes zählte, ist heute aus dem Ortsbild verschwunden. Bislang ist die Geschichte des Betriebs nicht dokumentiert, und die Erinnerungen, die viele Rasteder und Rastederinnen noch an den Betrieb haben, drohen in Vergessenheit zu geraten. Dies möchte eine Kabinettausstellung im Palais Rastede verhindern.
Spezialität der Produktion waren Binsensitzmöbel, die noch heute in vielen Ammerländer Haushalten und Gaststätten zu finden sind – allerdings fristen sie inzwischen oft ein vergessenes Dasein auf Dachböden und in Lagerräumen, wo ihnen Feuchte nicht gut tut.
Die Gründung der Firma 1897 – Der erste Binsenstuhl wird produziert
Im Februar 1897 gründete Johann Frers in der Oldenburger Wallstraße eine Drechslerei mit Stuhlmacherei. Seine Produktion verlegte er im Jahr 1900 in die Georgstraße, wo er bereits 1905 elektrischen Strom beziehen konnte und einen Motor mit 1 PS-Leistung anschaffte. In dieser Zeit fertigte Frers auch die ersten Binsenstühle. Seinen Aufschwung verdankte der Betrieb der stark gewachsenen Nachfrage nach Möbeln und nach verschiedensten Arten von Säulen, Kugelfüßen, Rosetten, Knöpfen und anderen Möbelverzierungen für den damals beliebten Stil der Neo-Renaissance.
Der Betrieb wuchs schnell und bezog mit bereits 30 Beschäftigten im April 1919 Räume in der Nelkenstraße.
Umzug nach Rastede – Brandkatastrophe im Mai 1945
Ende des Jahres 1928 konnte in Rastede das Gelände der in Konkurs gegangenen Firma Eilers AG/Dampfsägewerk und Holzwarenfabrik an der heutigen Raiffeisenstraße – damals noch Wiefelsteder Straße – erworben werden.
1933 wurden die fünf Söhne von Johann Frers zu seinen Teilhabern ernannt. Seitdem firmierte der Betrieb unter „Joh. Frers Söhne, Rastede“. In den 1930er Jahren wurde die Produktion gesteigert und das Absatzgebiet wesentlich vergrößert. Für die Wehrmacht wurden u.a. Schlitten, Betten, Spinde und Koffer produziert.
Während des Zweiten Weltkrieges waren ca. 60 Männer und Frauen vor allem aus Polen und der Ukraine zwangsweise zur Arbeit in der Fabrik verpflichtet. In der Nähe der Fabrik im Ortsteil Hostemost wurde für sie ein Lager eingerichtet.
In Rastede gab es im Zeitraum vom 3.9.1939 bis zum 8.5.1945 mindestens acht Lager für 430 Zwangsarbeiter, Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangene, die in verschiedenen Industrie- und Gewerbebetrieben und in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen in Rastede sind bislang nur ansatzweise erforscht.
Am 23.10.1943 starb der Firmengründer Johann Frers. Der von ihm aufgebaute Betrieb wurde am 3. Mai 1945 in einem der letzten Gefechte durch Panzer beschossen und brannte völlig ab.
Vom Wiederaufbau bis zum Konkurs der Firma
Bereits im Juni 1945 nahmen die Brüder Johannes, Herbert, Emil und Erich Frers mit einer Belegschaft von ca. 25 Personen die Produktion wieder auf. Ihre Investitionen nach der Währungsreform zahlten sich aus, als der Bauboom der 1950er Jahre dem Betrieb viele Aufträge für Privathaushalte, öffentliche Gebäude (hauptsächlich Schulen) und gastronomische Betriebe bescherte.
Das Markenzeichen der Firma wurde der Binsenstuhl. Als größte Serie wurde das „Modell 008“ gefertigt. Produziert wurden Ende der 1960er Jahre jährlich 50.000 Stühle, 7.000 Tische und eine Vielzahl an Hockern, Sesseln, Polstermöbeln, Bänken in Modellreihen oder als Spezialanfertigung. Der Betrieb warb zu seinem 75jährigen Firmenjubiläum damit, an der „Spitze in der Herstellung von Binsensitzmöbeln in Europa“ zu stehen. Mit einer eigenen LKW-Flotte wurden die Kunden beliefert. Trotz des Wachstums blieb man ein familiäres Unternehmen, dem die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eng verbunden waren.
Als „Flechtdompteusen“ wurden 1961 die Arbeiterinnen der Fabrik Frers in den „Ammerländer Nachrichten“ bezeichnet. Entscheidend sind Geschick und der richtige „Dreh“ bei der Verarbeitung der zunächst leicht angefeuchteten Binse. Durch ständiges Eindrehen entsteht ein Strang, der dann stramm um das Holz geflochten wird. Schon die Fabrik Frers hatte in den 1970er Jahren Mühe, Binse von guter Qualität einzukaufen, da die arbeitsintensive Ernte an Weser und Elbe (Haseldorfer Marsch) stark zurückgegangen war und die Binse auch aus dem europäischen Ausland bezogen werden musste. Um den drohenden Engpass zu vermeiden, setzten sich die Firmeninhaber sogar mit einem Institut in Verbindung, um Möglichkeiten zur Vermehrung und Züchtung von Binsen zu erforschen.
Die Flechtarbeiten wurden im mehrfach erweiterten Betrieb, aber auch vielfach in Heimarbeit verrichtet. Anfang der 1970er Jahre beschäftigte man hier auch die ersten türkischen Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen in Rastede. Eine besondere Geschichte ist in diesem Zusammenhang über „Haki“ zu erzählen. Bereits 1916 war er als türkisches Waisenkind von Johann Frers als Drechslerlehrling aufgenommen worden. „Haki“ – der vollständige Name ist leider nicht bekannt – ging dann nach fünfeinhalb Jahren zurück in seine Heimat. In den 1970er Jahren erreichte die Firma Frers eine Anfrage der Tochter und des Schwiegersohns, die inzwischen in Süddeutschland lebten, ob die Firma noch existiere und sie dort arbeiten könnten, was bejaht wurde. „Haki“ zog nach und verbrachte seinen Lebensabend in Rastede. Bei der Feier zum 75jährigen Betriebsjubiläum wurde er von der Geschäftsführung geehrt.
Nach diesem großen Festakt blieben dem Betrieb nur noch wenige Jahre. Trotz verschiedener Versuche, auch seitens der Belegschaft, den Betrieb weiterzuführen, musste 1989 trotz guter Auftragslage Konkurs angemeldet werden. Ware, Material und Maschinen wurden verkauft und versteigert. Ein Baustoffhandel bezog das völlig umgebaute Hauptgebäude, während die übrigen Gebäude abgebrochen wurden. Nach weiteren Besitzerwechseln ist aktuell hier wieder eine Baustoff-Handlung ansässig.
Wenn Sie weitere Informationen haben oder Bildmaterial zur Verfügung stellen möchten, freut sich der KKR über eine Nachricht unter 04402-81552 (evtl. AB) oder an info@palais-rastede.de.
Bildergalerie
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